Offener Brief an ÖVP Abgeordnete Frau Bettina Zopf
Sehr geehrte Frau Abgeordnete Zopf!
Ihr Redebeitrag zum SPÖ-Antrag auf Erhöhung des ALG auf 70 % für Arbeitslose aufgrund der Coronakrise, kann nicht unwidersprochen bleiben, wenn Sie sagen: „Das neue Motto der SPÖ wäre: Land der Äcker, Land der Berge, wer was hackelt hat an Pecker!“ (Quelle: TVthek ORF, Sendeminute 1,23 min). Damit beleidigen Sie nicht die SPÖ, sondern Arbeitslose!
Ist Ihnen nicht bewusst, dass die SPÖ Abgeordneten 1.011 Mio. WählerInnen und 160.000 Mitglieder im Parlament vertreten?
Ihr Hintergrund, ist bisher ein geschützter Beruf als Vertragsbedienstete der Marktgemeinde Altmünster. Mit einem mtl. Abgeordnetenbezug von 9.091,60 Euro sowie als Nebenerwerbslandwirtin können Sie gut reden.
Sie wissen, dass Arbeitslose 55 % ihres letzten Nettoeinkommens erhalten. Das durchschnittliche Nettoeinkommen beträgt 1.700 Euro, und entspricht einem ALG von 938 Euro netto. Viele Menschen bekommen noch weniger und Sie unterstellen Arbeitslosen: „Wer etwas hackelt hat an Pecker?!“
Ständig wird vom „Hochfahren der Wirtschaft“ geredet. Die Mehrheit der EPUs und der KMUs haben noch keine finanzielle Unterstützung erhalten. Durch die langsame Auszahlung für Kurzarbeit, kommen viele Betriebe in finanzielle Schwierigkeiten.
Volkswirtschaftlich bedeuten fast 600.000 Arbeitslose, dass die Kaufkraft drastisch reduziert ist. Ist Ihnen bewusst, was eine Einkommensreduzierung auf 55 % für die reale Lebenssituation der Menschen bedeutet? Auf zehn Arbeitslose kommt dzt. nur eine offene Stelle! Ob die 1,3 Mio. Menschen in Kurzarbeit wieder alle beschäftigt werden, ist ebenso offen.
Frau Abgeordnete Zopf, Sie sind Mitglied im AS für Tourismus. Glauben Sie, dass sich Arbeitslose überhaupt einen Urlaub leisten können? Sie sind Mitglied des Bundesvortandes des Österr. Gewerkschaftbundes und Gewerkschaftsvertreterin für Gemeindebedienstete. Wie groß ist Ihr Verständnis für ArbeitnehmerInnen aus der freien Wirtschaft versus ihr Engagement als Bezirksbäuerin für die Landwirtschaft?
Aus dem Grünen Bericht 2019 entnehme ich, dass die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft 2018 im Durchschnitt 28.035 Euro betrugen. Die Einkünfte sind nach Bewirtschaftungsform und Größe unterschiedlich und reduzierten sich zum Vorjahr um 10 %. Keine Frage, die Land- und Forstwirtschaft, ist mit großem Arbeitsaufwand verbunden und für die Lebensmittelversorgung wichtig. Aber es ist auch „Eigentum und Besitz“ der Betroffenen, was die große Mehrheit nicht hat!
Aus EU-, Bundes- und Landesmitteln wurden 2.093 Mio. Förderungen ausbezahlt. 2018 wurden vom Bund 3.214 Mio. für Pensions- und Kranken- Unfallversicherung und Pflegegeld ausbezahlt. Zudem haben Österreichs Landwirte ein besonderes Privileg. Sie profitieren unter bestimmten Voraussetzungen von der Pauschalierung in Steuerfragen und soll von 400.000 Euro auf 550.000 Euro erhöht werden.
Aus einem Rechnungshofbericht von 2012 geht hervor, dass „drei Arbeitnehmer einen Bauern finanzieren!“ (Quelle: NEWS Landwirtschaft 15.8.2012)
Unter diesem Aspekt, ist es noch unverständlicher, wie Sie die Anhebung des ALG, bedingt durch Corona, von derzeit 55 % auf 70 % ablehnen können?
Ihr Sager im Parlament: „Das neue Motto der SPÖ wäre Land der Äcker, Land der Berge, wer was hackelt hat an Pecker!“, ist daher mehr als unangebracht.